SCHWEINFURTER TAGBLATT VOM 29. NOVEMBER 2016
Die minutenlangen Standing Ovations und Bravorufe im restlos ausverkauften Schweinfurter Theater waren verdient: Erstmals unter der Leitung von Matthias Göttemann, lieferten der Philharmonische Chor und der KonzertChor Schweinfurt, beide unter dem Dach des Liederkranz Schweinfurt 1833 vereint und ergänzt durch den Musicalchor Junge Stimmen aus Haßfurt, eine absolut überzeugende und fesselnde Aufführung von Carl Orffs „Carmina Burana“ ab.
CHORLEITER MIT NEUEM KONZEPT
Göttemann war ein hohes Risiko eingegangen, als er für den Traditionsverein des Liederkranzes ein neues Format einführte, in welchem sich ein wöchentlich probender Chor parallel zu einem phasenweise arbeitenden Projektchor auf ein gemeinsames Konzert vorbereitete.
Das Konzept des neuen Chorleiters ging auf: Die 150 Sänger waren perfekt vorbereitet und mit großem Engagement bei der Sache, erwiesen sich als stimmlich gut geschult und zu einer Einheit verschmolzen, sangen absolut präzise und wendig, zeigten deutliche Aussprache bis hin zu den gemeinsamen Textabschlüssen.
BESTENS EINGESCHWOREN AUF DEN DIRIGENTEN
Vor allem aber war man auf den Dirigenten und seine Zeichengebung bestens eingeschworen, reagierte sensibel, gestaltete durchdacht, überaus farbig, mit weit gespannten dynamischen Möglichkeiten. Prächtig die Männer- und jubilierend die Frauenstimmen nicht nur bei „Ecce gratum“; überraschend die akzentuierte, mitunter ungewohnte und durchaus mal vom Original abweichende Artikulation („Chramer, gip die varwe mir“). Überwältigend, mit welcher Wucht und Urkraft diese neue Chorformation nun agieren kann, wie zurückhaltend und fein andererseits ein „Chume, chum geselle min“ sanft dahinschwingt.
Vorzügliche Solisten
Mit den Solisten hatte Matthias Göttemann eine vorzügliche Auswahl getroffen: Die Sopranistin Anna Nesyba verstand es, mit ihrer hellen, intensiv strahlenden Stimme verführerisch zu locken und gleichzeitig naive Unschuld zu demonstrieren. Bariton Heiko Trinsinger schmachtete sich in größte Höhen und entfachte loderndes Feuer im sinnlichen Spiel des „Liebeshofs“.
Sein mit Verve geschmettertes „Estuans interius“ geriet geradezu ekstatisch, im wahrsten Sinn des Textes „Mich binden nicht Fesseln“.
Und Tenor Martin Nyvall lieferte in der berühmten Partie des gebratenen Schwans ein dramatisches Ereignis, nicht nur an höchster Sanges-, sondern auch an Schauspielkunst. Man litt, man brutzelte mit ihm im Feuer dahin. Einen kurzen, aber feinen Auftritt hatte Chorstimmbildnerin Yoshie Kaneyasu, die anstelle der nach einer Erkrankung in der dritten Oktave eingeschränkten Nesyba ein „Dulcissime“ in müheloser Höhe hinlegte.
Eröffnung mit der Leonoren-Ouvertüre
Mit Ludwig van Beethovens Leonoren-Ouvertüre Nr. 3 hatte Göttemann das Konzert eröffnet. Die Nordböhmische Philharmonie Teplice erwies sich als zuverlässiger Partner, einem eher hellen, denn samtweichen Streicherklang zugeneigt, mitunter jedoch in der Intonation leicht eingetrübt, vor allem in den Bläsern. Der souveräne Dirigent überließ nichts dem Zufall, hatte immer alles im Blick und fing auch reaktionsschnell ein paar kleine Irritationen im Orchester wieder ein.
Florian Glemser als Pianist in Beethovens Fantasie für Klavier, Chor und Orchester nahm seinen Part romantisch, dennoch klar, und konnte jederzeit sein großes Können ausspielen. Seine schlüssige, leicht freie Agogik, seine energischen Tempovorgaben, sein lockeres, dennoch bestimmtes Spiel mit Kontrasten und Charakteren wurden jedoch nicht immer vom Orchester zurückgegeben.
NÄCHSTES PROJEKT IN ARBEIT
Es gab viel Beifall, nicht nur für den jungen Pianisten, nach dieser spannungsvoll aufgebauten und wirkungsvollen Chorfantasie. Und ganz am Ende des Konzertes gab es auch vom Chor Applaus: für Matthias Göttemann, mit dem nun alle mit dem neu gewonnenen Elan das nächste Projekt, Mendelssohns Lobgesang-Sinfonie, angehen werden.
Fotoserie Carmina Burana
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